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HNA vom 21. Mai 2009


Von Werner Fritsch
Kassel. Auf dieses Buch haben viele gewartet. Denn bisher gab es keine deutschsprachige Biografie eines der bedeutendsten romantischen Komponisten - Louis Spohr (1784-1859). Die einzige Darstellung von Leben und Werk Spohrs, die auch wissenschaftlichen Ansprüchen genügt, hatte der britische Musikforscher Clive Brown 1984 vorgelegt. Jetzt ist das Buch in aktualisierter Form auf Deutsch erschienen, übersetzt und fachlich begleitet von dem Kasseler Spohr-Forscher Wolfram Boder.

Die jahrzehntelange Missachtung Spohrs ist umso unverständlicher, als er noch vor 150 Jahren ganz selbstverständlich zu den bedeutendsten Komponisten Europas gezählt wurde. Hier setzt Clive Brown an. Wie kam es, dass ein derart berühmter Musiker nach seinem Tod so in seiner Bedeutung geschmälert wurde?

Brown findet die Antwort zum einen in Spohrs Werk begründet, das „den Beifall von Musikern und Kennern erregt“ hatte, aber nicht so sehr „die aufrichtige Gefolgschaft des allgemeinen Publikums“. Zumindest dann nicht mehr, als sich der Geschmack in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gewendet hatte - hin zu plakativeren, auch freieren Formen romantischer Komposition. Keine Frage, dass Brown nun die Zeit für eine Neubewertung Spohrs gekommen sieht.

Spannend zu lesen, wie er anhand zahlreicher Rezensionen und Presseberichte (nicht zuletzt aus England, wo Spohr in besonderem Maße verehrt wurde) die Aufnahme seiner Musik nachvollzieht. Zusammen mit den ausführlichen Erläuterungen zu wichtigen Werken (samt vielen Notenbeispielen) ergibt sich so ein guter Überblick über Spohrs Schaffen - auch wenn Brown sich mit dezidierten Urteilen über die Qualität einzelner Werke oft selbst zum Rezensenten aufschwingt.

Natürlich erfährt man viel über Spohrs Leben. Über Privates, etwa seine Ehe mit der Harfenistin Dorette Scheidler, ebenso wie über seine Karriere als gefeierter Geigenvirtuose und seine beruflichen Stationen. Unter diesen nimmt natürlich Kassel, wo Spohr 37 Jahre als Hofkapellmeister wirkte, besonderen Raum ein. Die hiesigen Erfolge, etwa seiner Oratorien und der Oper „Jessonda“, werden ebenso beleuchtet wie die Schikanen, denen der politisch liberal denkende Spohr seitens des Kurfürsten Wilhelm II. ausgesetzt war.

Browns Buch ist ein aufrichtiges Plädoyer für den Komponisten Louis Spohr, das gerade im doppelten Jubiläumsjahr nicht nur in und um Kassel viele Leser verdient.

Clive Brown: Louis Spohr. eine kritische Biographie. Aus dem Englischen von Wolfram Boder. Merseburger Verlag Kassel, 439 Seiten, 49,90 Euro. Wertung: !!!!:

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